Ökosystem Flussaue - Prof. Florian Wittmann
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Die natürlichen Überschwemmungsflächen entlang von Flüssen rücken vor allem bei extremen Hochwasserereignissen in die öffentliche Wahrnehmung. Der Leiter des Aueninstituts am Institut für Geographie und Geoökologie (IfGG) verbindet ökologische Grundlagenforschung mit angewandten Projekten zum Wasserhaushalt der Landschaft, Hochwasserschutz sowie zur Entwicklung und Renaturierung von Auen.
Auen renaturieren – ohne Transport, Land- und Forstwirtschaft zu stark einzuschränken
„Feuchtgebiete gehören weltweit zu den gefährdetsten Ökosystemen, zugleich zählen sie zu den artenreichsten und sind für Mensch und Natur in vielerlei Hinsicht bedeutsam“, sagt Florian Wittmann, der sich insbesondere mit der Verbreitung und dem Schutz dieses Lebensraums befasst. „Die durch den Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser geprägten Uferlandschaften bieten sehr fruchtbare Böden.“ Eindeichungen, Aufstau und Flussbegradigungen hätten in der Vergangenheit die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen vergrößert und den Gütertransport auf der Wasserstraße begünstigt, stünden jedoch in Konflikt mit Ökologie und Hochwasserschutz, so der Professor für Fluss- und Auenökologie.
„In Deutschland bestehen nur noch fünf Prozent der einstigen Auen in relativ naturnahem Zustand“, sagt der Experte. Im Zuge der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union, die zum Ziel hat, die Vielfalt wildlebender Arten und ihre Lebensräume zu sichern oder wiederherzustellen und zu schützen, erhebt die interdisziplinäre Arbeitsgruppe am Aueninstitut den Ist-Zustand und entwickelt in Kooperation mit Behörden konkrete planerische Lösungen. „Es geht darum, die Auen wieder ein Stück natürlicher zu machen, ohne den Gütertransport auf den Flüssen, die Siedlungswirtschaft sowie die land- und forstwirtschaftliche Nutzung stark einzuschränken“, erläutert Wittmann. Das für Auen typische dynamische System aus Sedimentierung und Erosion der Flächen trete derzeit selbst bei extremem Hochwasser kaum auf. Wichtige Lebensräume wie Kiesbänke seien dadurch ebenso verschwunden wie der Bewuchs mit Weiden und Tamarisken, die auch seltenen Vogelarten Schutz bieten. „Wenn wir Deiche zurück verlagern und auch bei mittlerem Hochwasser Durchlässe von den Flüssen in die Auen öffnen, können wir Hochwasserspitzen abfangen und den für die Diversität der Auenflora wichtigen Wechsel von Ablagerung und Abtragung begünstigen“, so der Experte. Wittmann forscht unter anderem zum Holzzuwachs in gesunden Auen, der durch das Binden von Kohlendioxid das Klima schützt, sowie zur Bedeutung naturnaher Flusslandschaften für den Grundwasserhaushalt. Zu seiner Arbeitsgruppe am Aueninstitut zählen Expertinnen und Experten aus Biologie, Forstwissenschaften und Geomorphologie. Wittmann hat zwei Jahrzehnte in Brasilien geforscht und erarbeitet weiterhin Grundlagenwissen bei Feldforschungen im Amazonasbecken. (afr, red)