Bauwesen: Kreislaufwirtschaft - Prof. Dirk Hebel
-
Der Leiter des Fachgebiets Nachhaltiges Bauen untersucht Ressourcenkreisläufe und entwickelt alternative Baumaterialien und Konstruktionsmethoden für Bauprozesse der Zukunft.
Recycelte und Nachhaltige Baumaterialien nutzen
Konventionelle Baumaterialien wie Sand, Zink oder Kupfer aus der Erdkruste stehen nur noch für wenige Jahrzehnte in ausreichender Menge zur Verfügung, der Bedarf an Baustoffen jedoch wächst. „Die Baubranche befindet sich in einem Paradigmenwechsel von der Verbrauchs- zu einer Kreislaufwirtschaft, in der Gebäude so konstruiert und gefertigt werden, dass all ihre Komponenten später weiter genutzt werden können“, sagt Dirk Hebel. Unter ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten sieht er die Bedeutung von Recyclingmaterialien weiter steigen. Zum einen müsse die Stadt als neue Mine zur Gewinnung von Rohstoffen betrachtet werden, zum anderen gelte es alternative und innovative Materialien zu entwickeln. „Was bislang als Abfall betrachtet wurde, kann als Ressource für Neues genutzt werden, und Baumaterialien können, wenn sie sortenrein und rückstandsfrei eingesetzt werden, wieder in ihre jeweiligen Stoffkreisläufe zurückgeführt werden“, so der Architekt. Sein Interesse gilt insbesondere dem Entwickeln neuartiger, gewachsener und gezüchteter Materialien, die Beton und Stahl, aber auch herkömmliche Dämmstoffe ersetzen können. Sowohl im Labor wie auch in realisierten Bauprojekten experimentiert er unter anderem mit Bambusfasern sowie einem Werkstoff, der aus dem Wurzelgeflecht von Pilzen kultiviert wurde.
Eine real gebaute Zukunftsvision zeigt das an der KIT-Fakultät für Architektur entworfene und gebaute Projekt RoofKIT: Es nutzt ausschließlich regenerative Energien und ist mit einem kompromisslosen Kreislaufansatz aus Materialien der urbanen Mine gebaut. Das Projekt, an dem sich auch über 100 Studierende unter der Führung von Hebel und Professor Andreas Wagner beteiligten, gewann mit dem Solar Decathlon 2022 den größten Bauwettbewerb für Universitäten weltweit.
Zudem hat der Wissenschaftler gemeinsam mit Professor Werner Sobek und Felix Weisel das Konzept für das Forschungs- und Testgebäude NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) im Schweizerischen Dübendorf bei Zürich entworfen. Die Forschungseinheit „Urban Mining & Recycling“ ist ein Wohnmodul und besteht als Teil von NEST ausschließlich aus kompostierbaren, wiederverwertbaren oder weiternutzbaren Materialien für Konstruktion und Ausbau. „Mit der Testwohnung wollen wir beweisen, dass es schon heute möglich ist, so zu bauen, dass sämtliche Ressourcen zu hundert Prozent und sortenrein wieder ausbaubar sind“, sagt Hebel.
Bei all diesen Themen hat der Experte für nachhaltiges Bauen auch die Anwendung in Entwicklungsländern im Blick. Vor seinem Ruf an die KIT-Fakultät für Architektur war Hebel unter anderem Wissenschaftlicher Direktor des Äthiopischen Instituts für Architektur, Baukonstruktion und Stadtentwicklung in Addis Abeba und Forschungsleiter für alternative Baumaterialien am Future City Laboratory Singapore. Für seine Bauten mit ungewöhnlichen Konstruktionsmaterialien wie Pilz, Wasser, Bambus-Komposit oder Abfallstoffen erhielt er eine Reihe internationaler Preise, darunter den Nachhaltigkeitspreis der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen sowie den Green Solution Award, den Deutschen Stahlbaupreis und den Red Dot Design Award. (red)
Expertenmails mit Prof. Dirk E. Hebel:
Der Presseservice des KIT stellt gerne den Kontakt zwischen den Medien und Prof. Dirk E. Hebel her.
Fotonachweis:
Foto Forschungsgebäude NEST: Zooey Braun
Porträt Prof. Dirk E. Hebel, KIT: privat