Markus Lehmkuhl: Medienpräsenz durch Reputation? Wie Journalisten wissenschaftliche Experten auswählen
- Datum: 22.10.2019
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Sehr geehrte Damen und Herren,
Grippe, Antibiotika oder Ebola: Komplexe Wissenschaftsthemen bewegen die Menschen und sorgen in den Medien für Schlagzeilen. Journalisten und ihre Quellen haben einen erheblichen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs. Ob vor diesem Hintergrund die Auswahl wissenschaftlicher Experten durch die Medien von deren fachlichen Reputation abhängt, untersuchen Forscherinnen und Forscher des KIT in einer jüngst erschienenen Studie.
„Außerhalb der Wissenschaftsressorts großer Zeitungen wird die wissenschaftliche Reputation offenbar vorab nicht eingehend geprüft. Reputation – die sich in einschlägigen Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften widerspiegelt – ist also kein Kriterium für die Auswahl. Es reicht aus, Wissenschaftler oder Arzt zu sein, um als glaubwürdige und zitierfähige Quelle eingestuft zu werden“, berichtet Markus Lehmkuhl, Leiter der Abteilung Wissenschaftskommunikation des Instituts für Technikzukünfte (ITZ) am KIT. Wissenschaftsressorts sind dabei die Ausnahme: Die Studie zeigt, dass die wissenschaftliche Reputation von Experten, die von spezialisierten Wissenschaftsjournalisten ausgewählt wurden, signifikant höher ist als die, die von den Journalisten der Politik-, Kultur- oder Wirtschaftsressorts ausgewählt wurden.
Lehmkuhl und sein Team haben am Beispiel der Gesundheits- und Medizinthemen Antibiotika-Resistenz, Grippepandemie und Ebola die Experten-Auswahl durch Medien zwischen 1993 und 2015 nachvollzogen. Basis waren knapp 800 Artikel aus renommierten Medien wie der Süddeutschen Zeitung, der Welt, dem Spiegel, der Deutschen Presseagentur, der New York Times und der Newsweek, in denen 378 medizinische und wissenschaftliche Fachleute zu Wort kamen.
Die Studie „Visible scientists revisited: Zum Zusammenhang von wissenschaftlicher Reputation und der Präsenz wissenschaftlicher Experten in der Medienberichterstattung über Infektionskrankheiten“ ist gerade erschienen. Sie zeigt unter anderem: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können in die Medien kommen und öffentliche Präsenz erlangen, ohne in dem Feld, über das sie sich äußern, wissenschaftliche Publikationen in Fachzeitschriften vorweisen oder gar einschlägig forschen zu müssen.
Lehmkuhl betont allerdings: „Der öffentliche Raum wird nicht von wissenschaftlichen Scharlatanen dominiert.“ Tatsächlich zeigten die Ergebnisse, dass die Mehrheit der in den Medien vertretenen Experten auch über thematisch einschlägige Expertise verfüge. Dies sei den Befunden zufolge aber – mit Ausnahme von Wissenschaftsjournalisten – keine journalistische Leistung der Redaktionen, so die Studie.
Die Studie ist abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007/s11616-019-00530-1
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