Andreas Gerdes: Instandhaltung und Prävention im Bauwesen

  • Datum: 15.08.2018
  • Sehr geehrte Damen und Herren,
     

    anlässlich des Einsturzes einer Autobahnbrücke in Genua gestern ist die Diskussion um den Investitionsstau bei der öffentlichen Infrastruktur auch in Deutschland wieder aufgeflammt. Der Bedarf ist in der Tat gewaltig: Auf rund 270 Milliarden Euro beziffert die Bundesregierung den Investitionsbedarf bis zum Jahr 2030 an Straßen, Brücken, Schienen- und Wasserwegen. Viele öffentliche Gebäude sind ebenso sanierungsbedürftig: Laut Deutschem Städte- und Gemeindebund sind allein für die Renovierung von Schulen 34 Milliarden Euro nötig. Es geht aber auch billiger: Der Bauexperte Andreas Gerdes vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat Konzepte entwickelt, mit denen sich die Lebenszyklen von Bauwerken enorm verlängern lassen. Das könnte sehr viel Geld sparen.

     

    „Die heutige Lebensdauer unserer Infrastruktur ist zu kurz, verglichen mit den heute oft noch genutzten Bauwerken aus der Zeit der Römer “, sagt Gerdes. Der Materialforscher hat hier zunächst die Vergabeprozesse bei öffentlichen Aufträgen im Blick. Im Fokus steht da häufig nicht die Leistungsfähigkeit der Materialien, sondern es werden nur Mindestanforderungen ausgeschrieben. Ziel müsse sein, den geplanten Einsatzbereich und die damit verbundene Beanspruchung eines Materials vorab genau zu analysieren, fordert der Professor am Institut für Funktionelle Grenzflächen (IFG).

     

    Auch müsse man bei der Berechnung der Kosten davon weg, lediglich Planung und Bau zu berücksichtigen, sondern vielmehr die gesamten Lebenszykluskosten, fordert Gerdes. „Dann wird schnell klar, dass es keinen Sinn macht, bei den Materialkosten zu sparen.“ Dann lägen zwar die Kosten beim präventiven Bauen zu Beginn drei bis fünf Prozent über denen des konventionellen Bauens, „aber dafür kann man sich später teure und aufwendige Sanierungen sparen“. Bei Autobahnbrücken etwa schützt eine Schicht aus Beton die in den Pfeiler eingelegten Bewehrungsstäbe aus Stahl. Gerät Streusalz auf den Beton, saugt er sich voll wie ein Schwamm. Die Folge: Korrosion. Dies könne leicht verhindert werden, indem man die Betonoberfläche imprägniere. Plus an Lebensdauer: 20 Jahre.  Derzeit werde indes stets das kostengünstigste Material eingesetzt, mit fatalen Folgen für die Langlebigkeit von Turnhallen, Abwasserkanälen, Leitungen für die Energieversorgung und Brücken gleichermaßen. „Dabei bildet die technische Infrastruktur doch das Rückgrat des Wirtschaftsstandorts Deutschland“, warnt Gerdes.

     

    Und wenn schließlich doch einmal saniert werden muss, plädiert Gerdes für eine penible Zustandsanalyse im Vorfeld. „Dazu sind chemische oder physikalische Untersuchungen am Material notwendig.“ Mit Methoden wie Ultraschall, Bauradar und Röntgen hat der Experte in einem Pilotprojekt für den hundert Jahre alten Viadukt der Waldbahn im schwäbischen Welzheim ein so passgenaues Sanierungskonzept erarbeitet, dass die Gemeinde von den ursprünglich veranschlagten 3,5 Millionen Erneuerungskosten am Ende weniger als zwei Millionen hatte aufbringen müssen. „Angesichts der schwindelerregenden Summen, die für die Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur notwendig sind, ist das Einsparpotenzial enorm!“, betont Gerdes.

     

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