Doris Wedlich: Research Data Alliance - Wie wird aus weltweiten Daten universelles Wissen?
- Datum: 19.03.2018
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Sehr geehrte Damen und Herren,
Wie wird aus weltweiten Daten universelles Wissen?
Professorin Doris Wedlich im Interview zur Research Data Alliance
An Daten mangelt es in der heutigen Informationsgesellschaft nicht, sehr wohl aber an deren effizienter Nutzung und Bewahrung. Mit der Frage, wie Daten so generiert, standardisiert und gespeichert werden können, dass sie weltweit gefunden und genutzt werden können, befassen sich vom 21. bis 23. März rund 700 internationale Daten-Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft beim 11. Plenary der Research Data Alliance (RDA) in Berlin. Verstärkt wollen sie für das Thema Daten sensibilisieren und neue Impulse setzen. Mitveranstalterin ist Professorin Doris Wedlich, Bereichsleiterin I – Biologie, Chemie und Verfahrenstechnik am KIT, die sich seit vier Jahren als Mitglied des Council in der RDA engagiert. Zugleich ist sie Mitglied des von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) berufenen Rates für Informationsinfrastrukturen (RfII). Über Ziele und bisherige Erfolge der RDA berichtet sie im Interview.
Welche Ziele verfolgt die RDA, die 2013 als internationale Initiative gegründet wurde?
Doris Wedlich: Unsere Vision ist es, weltweit Daten über Technologien, Disziplinen und Länder hinweg auszutauschen, um große gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, Energiewende, Mobilität oder Ressourcenverknappung bewältigen zu können. Diese komplexen Fragestellungen bedürfen der Analyse immenser Datenmengen. Das Problem dabei ist weniger, dass es an den notwendigen Daten mangelt, sondern eher, dass sie nicht in einer Weise verfügbar sind, dass sie jederzeit von allen gefunden und genutzt werden können. Die Daten-Produzenten stammen aus verschiedenen Projekten, Institutionen, Disziplinen und Ländern. Sie erzeugen unabhängig voneinander Daten, die anschließend für eine übergeordnete Nutzung neu zusammengefügt werden müssen. Dieser Integrationsprozess ist teuer, zeitaufwendig und teilweise nicht in der angestrebten Qualität realisierbar. Genau dieser Herausforderungen nimmt sich die RDA als bottom-up arbeitender, globaler und disziplinübergreifend operierender Zusammenschluss an.
Die RDA ist seit über vier Jahren aktiv. Was haben Sie bis jetzt erreicht?
Doris Wedlich: Unerwartet für uns war zunächst die Resonanz. Inzwischen ist die Mitgliederzahl von anfänglich 1300 auf jetzt 6600 Mitglieder aus über 135 Ländern gestiegen. Entsprechend hat sich auch die Zahl der Arbeitsgruppen auf 91vervielfacht. Inzwischen liegen aus den ersten Arbeitsgruppen 18 Empfehlungen zu Standardisierungen vor, die bereits von verschiedenen Organisationen übernommen wurden, unter anderem hat eine Arbeitsgruppe ein ein Protokoll zur Erstellung eines PID (persistent identifier) erarbeitet, das die eindeutige Referenzierung eines Datensatzes zulässt, sowie ein Protokoll zur maschinenlesbaren und leicht zugänglichen Aufbereitung von Datensammlungen. Beide gehören zu den ersten vier RDA-Empfehlungen, die in den Katalog der europäischen Standardisierungsregeln aufgenommen wurden, weitere sieben RDA-Empfehlungen befinden sich im Aufnahmeverfahren. Das ist für eine Bottom-up-Organisation wie die RDA ein großer Erfolg, denn die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Sie definieren die Fragestellungen aus Nutzersicht und lösen sie in international zusammengesetzten Arbeitsgruppen. Das sorgt für breite Übereinkunft und Akzeptanz. Das Technical Advisory Board wacht über die Machbarkeit, Zielorientierung und koordiniert bei überschneidenden Themen die Arbeitsgruppen. Sicherlich ist auch als Erfolg zu werten, dass die RDA eingebunden wird in Initiativen der Verbesserung von Informationsinfrastrukturen auf nationaler und europäischer Ebene.
Nicht jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler und erst recht nicht jedes Unternehmen ist ohne weiteres bereit, die eigene Arbeit, die zumindest in Teilen aus Daten besteht, der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Erleben Sie solche Vorbehalte in Ihrer Initiative und wie begegnen sie ihnen?
Doris Wedlich: Ja, das ist in der Tat ein weltweites Problem. Hier ist Aufklärungsarbeit notwendig. Allerdings verstärkt sich auch der Druck von außen auf die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und die Forschungsinstitutionen. Die öffentlichen Geldgeber wie beispielswiese die EU, die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder das Bundesforschungsministerium (BMBF) verlangen inzwischen präzise Angaben zu Forschungsdatenmanagement-Plänen, diese werden zunehmend als Teil von Begutachtungsprozessen angesehen. Die Bundesregierung hat das Go-FAIR-Abkommen der EU unterschrieben, um die Entwicklung der Europäischen Open Science Cloud (EOSC) voranzutreiben. Ein Go-FAIR-Büro in Hamburg wurde inzwischen mit Mitteln des BMBF eingerichtet. FAIR steht für „Findable, Accessible, Interoperable und Reusable”.
Selbstverständlich gilt „as open as possible as closed as needed”, gleichwohl müssen wir auch darin übereinkommen, wie unter anderem Datenschutz und Urheberschaft weltweit gesichert werden können. Hier sind viele Akteure neben der RDA aufgerufen, Regularien zu entwickeln.
Bei der Veranstaltung in Berlin soll auch eine deutsche Sektion der RDA gegründet werden. Welche Aufgabe hat dieser „nationale Ableger“?
Doris Wedlich: Wir haben erkannt, dass bei einer so stark gewachsenen weltweiten Organisation auf regionaler Ebene der Informationsfluss weitergetragen werden muss, umgekehrt auch die Anliegen der Mitglieder, die ja nicht zu jedem Plenary reisen können, in die Organisation hineinfließen sollten. Auf nationaler Ebene finden daher jährliche Treffen statt, hinzukommen lokal angebotene Workshops, auf denen potenzielle Nutzergruppen über die RDA-Empfehlungen informiert werden. Dazu gehören Trainings von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen nach disziplinspezifischen Aspekten. Mit dem gemeinnützigen Verein RDA-DE (jährlicher Mitgliedsbeitrag 20 Euro) setzen wir zum einen auf eine sichtbare Vertretung der RDA-Anliegen auf nationaler Ebene und zum anderen auf finanzielle Förderung über Sponsoren oder Antragsverfahren, so dass wir eine nachhaltige Finanzierung der Workshops und Jahrestreffen erreichen können.
Halten Sie es für denkbar, dass irgendwann die Arbeit der RDA obsolet wird, weil weltweiter Datenaustausch eine Selbstverständlichkeit geworden ist?
Doris Wedlich: Das wäre schön und sollte langfristig das Ziel sein. Allerdings ist derzeit die Arbeit von RDA stark nachgefragt. Mit den Projekten wie dem Aufbau der EOSC im europäischen Rahmen oder dem Aufbau einer nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) wie sie der RfII vorschlägt sind international agierende, gut vernetzte Organisationen wie die RDA gefragt, die Standardisierungsempfehlungen entwickeln und die Nutzerwünsche sowie die Möglichkeiten der Service-Anbieter gleichermaßen einbeziehen.
Für weitere Informationen stellt der Presseservice des KIT gern den Kontakt zu Doris Wedlich her. Bitte wenden Sie sich an Regina Link, Tel. 0721 608-21158, regina.link@kit.edu oder an das Sekretariat, Tel. 0721 608-47414, E-Mail: presse@kit.edu.
Freundliche Grüße
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
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Gesamtkommunikation
Monika Landgraf
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