PetrischaleAndrea Katheder, ELHKS

Hirnorganoide – Prof. Simone Mayer

  • Die Entwicklung des menschlichen Gehirns ist hochkomplex. Die Neurobiologin vom Institut für Biologische und Chemische Systeme – Funktionelle molekulare Systeme (IBCS-FMS) erforscht Störungen dieser Entwicklung anhand von Hirnorganoiden. In der Petrischale vollzieht sie nach, was dabei auf zellulärer und molekularer Ebene geschieht.

Entwicklungsstörungen im Gehirn besser verstehen

Prof. Simone Mayer Amadeus Bramsiepe, KIT

Eine Leber oder gar ein Gehirn in der Petrischale? Die Forschung an Organoidmodellen ist noch relativ jung und eröffnet der Wissenschaft neue Möglichkeiten: Organoide sind wenige Millimeter große „organartige“ Gewebestrukturen, die im Labor aus Stammzellen gezüchtet werden. Sie besitzen Eigenschaften sich entwickelnder oder ausgereifter menschlicher Organe und zeigen, was bei der Entstehung eines Organs passiert oder was sich negativ auf sie auswirkt.

„Dies bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Besonderheiten der menschlichen Gehirnentwicklung zu untersuchen“, sagt Simone Mayer. „Organoide bilden insbesondere die Phasen der frühen Hirnentwicklung während einer Schwangerschaft gut ab.“ Um Fehlentwicklungen zu simulieren, wird das Gewebe im Labor schädlicher Umweltfaktoren ausgesetzt oder genetisch verändert.

Auf diese Weise konnte Mayer unter anderem „in vitro“ die Entstehung der „Pontocerebellären Hypoplasie (PCH)“ modellieren. Bei dem seltenen Gendefekt führt ein vertauschter DNA-Baustein zu schweren kognitiven und physischen Einschränkungen – Betroffene erreichen selten das Erwachsenenalter. Mit dem Organoidmodell lasse sich die Krankheitsentstehung auf zellulärer und molekularer Ebene nachvollziehen, erklärt die Neurobiologin. „Sind solche Prozesse bei seltenen Erkrankungen besser verstanden, leiten sich daraus hoffentlich Strategien für Prävention und Behandlung ab.“

Nicht zuletzt kann die Arbeit mit Organoiden künftig Tierversuche in Forschung und Lehre ergänzen oder sogar ersetzen. Gerade in der Hirnforschung könnte dies bei Fragestellungen nützlich sein, bei denen Tiermodelle an ihre Grenzen kommen, sagt Mayer. Da die Gehirne von Menschen und typischen Tiermodellen sehr unterschiedlich sind, werden Organoide bei translationalen Fragestellungen interessant, also bei der Anwendung von Grundlagenforschung in der klinischen Praxis und bei der Entwicklung von Therapien. „Auch deshalb arbeiten wir am KIT gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus den Material- und Ingenieurwissenschaften daran, Organoidkulturen weiter zu verbessern.“

Der Presseservice des KIT stellt gerne den Kontakt zwischen den Medien und Professorin Simone Mayer her.

 

Fotonachweis
Foto Petrischale: Andrea Katheder, ELHKS
Porträt Prof. Simone Mayer, IBCS-FMS, KIT: Amadeus Bramsiepe, KIT